Holzschnitt 1510
    
Nikolaus von Flüe
Bruder Klaus  
  
 
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   Quellen - Bruder Klausund Dorothea
  
  
Heinrich Bullinger – Von den Tigurinern
  
Quelle Nr. 265

  

  
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Zeit: Oktober 1574
  
Herkunft: Von den Tigurinern und der statt Zürich sachen Vi buecher verzeychnet von Heinrychen Bullingeren, in welchen der anfang diser history gefuert wirt von dem iar Christi 1400 biß in das iar Christi 1516. (II. Band des Werkes, mit einer Zueignung an Pfleger, Verwalter und ganzes Kapitel des Gestiftes zum Grossen Münster, vom Oktober 1574. Buch XIII., Kap. I) Handschrift, Zentralbibliothek Zürich (Abt. Stiftsbibliothek) Msc. C. 44. fol. (es existieren davon mehrer Abschriften).
  
Kommentar: Von Heinrich Bullinger existiert thematisch anders zu orten bereits eine ältere Textquelle um 1526 (Quelle 226), dort ging es um politische Mahnungen bezüglich der Einigkeit der Eidgenossen und den Söldnerdiensten in fremden Armeen, wobei er sich auf Bruder Klaus berufen will. 1574 will er in seinem historischen Werk «Von den Tigurinern» auch biographische Ausführen über Bruder Klaus einflechten, Anknüpfungspunkt ist dabei wie bei vielen anderen Historikern und Chronisten das Stanser Verkommnis von 1481 (Quelle 024). Bullinger kennt auch andere Werke, von denen er wichtige Informationen entnimmt, um sie weiterzugeben, so von Valerius Anshelm (Quelle 229 – etwa den vollen Namen der Ehefrau: Dorothea Wyss) und natürlich von Johann Stumpff (Quelle 240). Von Stumpf übernimmt er auch das falsche Todesjahr: 1502. Ansonsten ist der Text eine sehr gute Kurzbiographie über den Eremiten im Ranft. Bemerkenswert ist auch, dass Bullinder den Brief von Bruder Klaus an den Rat von Bern (Quelle 031) kennt und auch zitiert; Bullinger besass in der Tat eine Kopie dieses Briefes (vgl. R. Durrer, Quellenwerk, 210). Das ist nicht unwichtig, weil das Original des Briefes nach der Reformation lange verschollen und nur noch die Kopie Bullingers bekannt war.
  
Zum Zeitpunkt des Abschlusses der Handschrift, Oktober 1464, war der aus Bremgarten (Aargau) stammende Theologe seit 1531 reformierter Pfarrer am Grossmünster in Zürich und damit Nachfolger von Huldreich Zwingli, vorher, seit 1529 war er Pfarrer in Bremgarten, und noch früher war er Lehrer an der Klosterschule in Kappel am Albis. Dennoch erstreckt sich das Geschichtswerk nur auf die Ereignisse im Zeitraum 1400–1519, also vor der Reformation in Zürich (1522/23).
  
Referenz: Robert Durrer, Bruder Klaus-Quellenwerk, 797-800 und 210, Anm. 6 (Kopie des Briefes an die Stadt Bern)

  

   Wegen diesen Angelegenheiten wurde für die Städte und Länder ein Tag [eine Tagsatzung] in Stans in Unterwalden angesetzt. Nach langer Verhandlung wurde die Sache in Ordnung gebracht. Laut dem ausgefertigten Brief wurde dies das Stanser Verkommnis genannt. Es war am Sonntag nach dem Thomastag. Die Städte nahmen gemäss dem Verlangen Abstand von den Burgrechten. Und es wurde abgesprochen, dass in Zukunft in den Kriegen die gewonnenen Güter nach Anzahl der Personen geteilt werden soll. Wenn jedoch Land gewonnen wurde, soll es zu gleichen Teilen auf die Ort verteilt werden. In dieser Streitsache der Eidgenossen wurde eindringlich vermittelt durch Worte von Bruder Klaus in Unterwalden, der damals, obwohl er noch nicht lange in der Einöde wohnte, doch ein grosses Ansehen bei den Eidgenossen hatte. Er ermahnte sie ernsthaft zur Einigkeit, dass sie sich nicht wegen zeitlichen Gütern trennen lassen sollten.
  
Dieser Bruder Claus von Flüe, wie er genannt wurde, war ein geborener Landmann [Bauer] aus einem frommen alten redlichen Geschlecht in Unterwalden, niedergelassen am Ranft auf einem Hof, der Flüe hiess, davon sein Geschlecht den Namen bekam. Von Jugend an war er der Frömmigkeit und der Gottesfurcht ergeben. Anfangs hatte er ein Eheweib, Dorothee Wyssin [Dorothea Wyss], von der er fünf Söhne und fünf Töchter bekam, von der er zuletzt schwerlich die Erlaubnis erwerben konnte, dass er sich in eine Wildnis, unten im Ranft, nicht fern von seinem Hof, zurückziehen konnte, um da ein Einsiedlerleben zu führen. Zunächst wohnte er in einer Höhle. Danach wurde er von Jägern gefunden. Seine Landsleute bauten ihm eine Zelle und daneben eine Kapelle. Er lag in seinem Stübchen auf einem Brett und hatte als Kopfkissen einen Holzklotz. In kalten strengen Zeiten bedeckte er sich mit einem zerschlissenen Sack. Am Leib trug er einen wollenen Rock bis auf die Füsse reichend, ohne Gürtel. Er ging jederzeit barfuss und ohne Kopfbedeckung. Er war grausam anzuschauen, so dass diejenigen, die ihn ansahen, davon einen Schrecken empfanden. Selten oder fast nie kam er vor dem Mittag aus seiner Zelle heraus und ging immer abends wieder hinein. Er ging allein an die Sonne, ohne Begleitung, oder er ging zu Bruder Ulrich, der ebenfalls Einsiedler war, auf einem Berg nicht weit von Bruder Clausens Behausung, oder ging manchmal zu seiner Frau und seinen Kindern, tröstete sie, strafte sie und unterwies sie in Gottesfurcht zu Frömmigkeit und Arbeitsamkeit.
  
Viele Leute aus allen Ständen, einheimische und fremde, besuchten ihn und fragten ihn allerlei. Er gebrauchte jedoch wenige Worte, entbot manchen seine Ehre und ermahnte sie eindringlich der Lehre und den Geboten Gottes zu folgen, Frieden, Gerechtigkeit und Gottesfurcht zu suchen, sowie gegenüber der Obrigkeit gehorsam zu sein. Die Eidgenossen liebte er besonders und ermahnte sie ernstlich, sich von fremden Herren, Pensionen [Söldnerwesen] und Dienste frei zu halten und sich zu Hause zu bemühen um nachbarliche Freundschaft und Einmütigkeit, dass sie auf der Hut seien, um ihre althergebrachte Schlichtheit, Gottesfurcht, Gastfreundschaft, Gerechtigkeit und Tapferkeit, auch ihre hart erlangte Freiheit zu behalten, dass sie sich um Ehre Gottes, seiner Diener und Kirchen bemühen, Witwen und Waisen treu beschützen sowie den Armen und Rechtlosen helfen sollen. So werde ihr Wesen [Gemeinwesen] in Ehre und Lob fortbestehen und zunehmen. Andernfalls würde es jedoch bald abnehmen und vergehen. Wenn man ihn über hohe Dinge Fragen stellte, antwortete er, er sei kein Gelehrter, sie sollten die Gelehrten und ihre Pfarrer fragen, von ihnen lernen und ihnen folgen.
  
Schliesslich kam es dazu, dass er keine gewöhnliche Speise und Trank mehr gebrauchte, allein, dass er an den Tagen der Hochfeste und sonst einmal im Monat das heilige Sakrament empfing, wenn er in seine Pfarr [-kirche] gegangen ist. Er wurde jedoch überwacht, ob er nicht vielleicht doch einen Betrug gebrauche. Man konnte jedoch nach dem Vorsetzen vielfältiger Gründe nichts finden. Die Obrigkeit des Lande richtete an den Bischof von Konstanz, dem Unterwalden unterstellt ist, ein Begehren, dass er diese wunderbare Sache genau untersuche. Dieser sandte seinen Weihbischof, Doktor Thomas, er gehörte dem Predigerorden [Dominikaner] an. Er weihte seine Kapelle ein und fragte ihn: Welches die höchste Tugend sei. Darauf antwortete Bruder Klaus: Der Gehorsam. Und der Bischof sprach: So befehle ich dir, bei dem Gehorsam, dass du diese drei Mümpfel [Mundvoll, Bissen] Brot isst und den Schluck Wie trinkst. Bruder Klaus bat jedoch, es soll ihm erlaubt werden, den einen Mümpfel [Bissen] in drei Teile zu brechen. Als ihm dies erlaubt wurde, genoss er den einen Teil mit so grosser Beschwerde, so dass der Bischof und alle, die bei ihm standen, davon übel erschraken und es sie reute, dass sie ihn zur leiblichen Speise genötigt hatten. Sie liessen es dabei bewenden. Er aber lebte ohne leibliche Speise und Trank neunzehn und ein halbes Jahr, was er jedoch nur dem Gefallen und der Gnade Gottes mit grossem Lob und Dank demütig zuschrieb.
  
Nach langem, wunderbaren, heiligen Leben wurde er krank und litt während 8 Tagen grosse Schmerzen, besonders in seinen Knochen, was er alles geduldig von Gott annahm. Er starb christlich im siebzigsten Jahr seines Alters. Sein Tod wurde vom ganzen Land beklagt, und sein Leib wurde mit Ehren begraben in der Pfarr [Pfarrei oder Pfarrkirche ?] Sachseln.
  
Und worüber man sich wundern muss: Kein Kind oder Nachkomme dieses heiligen Mannes war ohne ein Gebrechen des Leibes oder der Vernunft, wohl deswegen, dass keines die Heiligkeit des Vaters in Anspruch nehmen und für sich sichern konnte.
  
 Dies alles über das Leben von Bruder Klaus liegt mir abgeschrieben vor aus dem Buch der Chroniken der Stadt Bern [Valerius Anshelm, Quelle 229], ich habe es hier verzeichnet. Dann wurde für mich auch der nachfolgende Brief an die Stadt Bern abgeschrieben [Übersetzung des Originaltextes: Quelle 031], wodurch sein schlichtes und frommes Gemüt verstanden werden kann:
 An den ehrwürdigen, frommen und weisen Schultheiss und an den Rat der Stadt Bern. Der Name Jesus sei euer Gruss mit dem Wunsch für euch um viel Gutes etc. Ich danke euch ernstlich sehr für eure Gabe, denn ich erkenne darin eure väterliche Liebe, die mich mehr erfreut als die Gabe. Denn ihr sollt wissen, dass ich ein grosses Vergnügen daran habe und nicht weniger, wenn sie auch nur halb so gross wäre. Dennoch, es bereit mir grosses Vergnügen, und wenn ich deswegen für euch die Liebe verdienen könnte, gegenüber Gott und gegenüber der Welt, so möchte ich es mit gutem Willen tun. Der Bote, dem ihr es aufgetragen habt, hat es mir freundlich überreicht. Ich bitte euch, dass ihr ihn euch empfohlen sein lässt.
  
Über die Liebe schreibe ich euch im Gehorsam. Sie ist die grössten [Tugend] im Himmel und im Erdenreich. Ihr sollt darauf achten, dass ihr gehorsam seid [bzw. dass ihr hörend seid, aufeinander hört] und einander lieb habt. Dies richtet alles zum besten an. Friede ist immer in Gott, denn Gott ist der Friede. Und Friede kann nicht zerstört werden, Unfriede aber wird zerstört. Darum sollt ihr darauf achten, dass ihr euch auf Frieden einstellt, Witwen und Waisen beschirmt, so wie ihr es bisher getan habt.
  
Und bei wem sich das Glück auf dem Erdenreich mehrt, der soll dafür Gott dankbar sein, dann mehrt es sich auch im Himmel. Die offnen Sünden soll man abwehren und der Gerechtigkeit jederzeit beistehen. Ihr sollt auch das Leiden Gottes in eurem Herzen tragen, denn es ist des Menschen grösster Trost [Sicherheit] an seinem letzten Ende. Manche Menschen haben Zweifel im Glauben. Der Teufel macht manchen Einfall im Glauben und ficht am allermeisten den Glauben an. Wir sollen aber nicht zweifeln, denn er [der Glaube] ist als solcher gesetzt. Und ich schreibe euch dies nicht, weil ich glaube, ihr würdet nicht recht glauben. Ich zweifle nicht daran, dass ihr gute Christen seid. Ich schreibe es euch jedoch als Mahnung, damit ihr, wenn der böse Geist jemand darin anfechtet, um so ritterlicher widerstehen könnt. Nicht mehr, als Gott der Herr, er sei mit euch. Datum vom Tag St. Barbara im 1482. Jahr. Auf diesen lasse ich mein Siegel drücken.
   
Ich Bruder Klaus von Flüe.
  
Soviel habe ich aus Bern vernommen über Bruder Claus, als hier aufgeschrieben wurde. Andere schreiben nichts Gegenteiliges, aber auf eine andere Art und einige vollkommener, so etwa: Bruder Claus von Unterwalden hat sich von allen seinen Freunden ins Melchtal abgesetzt, in eine wilde Einöde, und da führte er ein abgesondertes heiliges Leben gegen 21 Jahre und lange auch ohne leibliche Speise und Trank. Er soll unter anderem manchmal gesagt haben, es sei ihm viel angenehmer gewesen, dass er durch Gottes Gnade seine liebe Ehefrau verlassen konnte, als, dass er sich der leiblichen Speise enthalten könne. Sein Gebet war unter anderem: O Gott nimm mich mir und gib mich ganz zu eigen dir.
  
Seine Gestalt war lang und gerade, jedoch ausgemergelt, dürr und mager. Es war alles nur Haut und Knochen. Die Farbe des Leibes war braun, das Haar schwarz und etwas grau dazwischen. Sein Bart war weder dicht noch lang, sondern dünn mit zwei Spitzen oder in zwei [Spitzen] geteilt. Er hatte schwarze, klare Augen, etwas erschreckend anzuschauen. Sein Reden war männlich, doch langsam. Die Adern seiner Halses und der Kehle gingen auf, wenn er sprach, sie waren eher mit Luft als mit Blut gefüllt. Wer zu ihm kam, um ihn zu sehen und zu grüssen, die ermahnte er zur Gottesfurcht, Gehorsam und Besserung des Lebens. Wenig wurde er traurig aufgefunden, er wurde immer in fröhlicher Gestalt gesehen. Künftige Dinge hatte er bisweilen seinen Landsleuten verkündet und die Eidgenossen heftig dazu angehalten, dass sie friedlich sein sowie fremde Kriege, Fürsten, Herren und Gaben [Söldnerwesen, Reisläuferei] ablehnen sollen, denn derartiges würde sie zerstören. Seine Zelle, wo er wohnte, war gut dreieinhalb Schritte lang und anderthalb breit, auch nicht höher, als dass er mit seinem Haupt fast oben anstiess. Er hatte drinnen zwei Fensterlein, je eine Spanne weit, die denen eines Turmhäuschens [Wächterhäuschen] oder einem Gefängnis mehr glichen als denen einer Wohnung. Er verschied aus dieser Zeit ungefähr im Jahr Christi 1502 [so von Stumpff (Quelle 240) übernommen, richtig müsste es heissen: 1487].
  
Soviel konnte ich über Bruder Klaus Eigentliches erfahren um es hier aufzuschreiben. Viel mehr wird über ihn von anderen gesagt und geschrieben. So stelle ich alles, wie auch dieses dem Urteil der verständigen Leser anheim.
    
  
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