Holzschnitt 1510
    
Nikolaus von Flüe
Bruder Klaus  
  
 
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   Quellen - Bruder Klausund Dorothea
  
  
Ulrich Witwyler
  
Quelle Nr. 262

  

  
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Zeit: um 1571
  
Herkunft: Siehe unten im Vorwort des Texte – 1. Auflage ... Zentralbibliothek (Stadtbibliothek) Zürich G. XXV. 1024 – 2. Aufl. Dillingen bei Johann Mayer, 1585 – 3. Aufl. Konstanz bei Nikolaus Kalt, 1597
  
Kommentar: Ulrich Witwyler [Huldreich Witwyler, Ulrich Wittwyler], geboren 1535 in Rorschach, war Mönch des Benediktinerklosters Einsiedeln und dort viele Jahre Pfarrer, 1577 Dekan, 1579 Administrator des Klosters, 1585 Abt. Er starb 1600. 1571 gab er eine Biographie über Bruder Klaus heraus. Zu einem grossen Teil ist sie eine Reproduktion der «Legende» von Hans Salat (Quelle 233), worauf er am Anfang seiner Schrift hinweist, ohne allerdings den Namen zu nennen.
  
Kannte nun Witwyler den Namen des Autors des 30 Jahre alten Werkes nicht oder verschweigt er ihn lediglich, weil Hans Salat gegen Ende seines Lebens entgleiste und mit dem Namen kein guter Ruf mehr verbunden war. Robert Durrer (Quellenwerk, 768f.) wirft die Frage auf: «... ob Witwyler auch die Urvorlage Salats, Wölflins Legende, gekannt habe und ob nicht vielleicht diese unter dem ‹uralt geschriben original› das ‹hab überkomen können› gemeint sei. Sicher ist wohl, dass dieses in der Einleitung erwähnte Manuskript nicht Salats Urschrift war, die sich 1562 zu Freiburg in dessen Nachlass fand. Im Beatifikationsprozess von 1591 hat Abt Ulrich die Authentizität seiner Druckschrift durch einen Brief vom 17. Februar bezeugt und sagt darin, dass er 'ein vast altes geschribnes Original oder hauptbüechlin, so uns us Unterwalden zu kommen, mit den gethruckten exemplaren und glaubwürdiger lüten zügknussen uff das aller flyssigest collationiertt und verglichen, da wir gespürt, das sy ordendlich mitt einandern überein stimptend'. Um den lateinischen Wölflin kann es sich dabei nicht handeln, auch wohl nicht um dessen Uebersetzung von Zbären. Witwyler bringt mit Wölflin übereinstimmend den Geschlechtsnamen der Mutter des Seligen, 'Robertin', den sowohl Salat als Z’bären verschweigen, aber auch – freilich entstellt – den Familiennamen der Gattin, der nur durch Anshelm und die von ihm abhängige Quellengruppe überliefert ist, für deren Benützung sich bei Witwyler keine andere Spur findet. Vielleicht war das ihm aus Unterwalden zugekommene Manuskript eines der Exemplare der verlornen Bearbeitung des Rhaetus. Aus diesem könnten auch die Namen Erni Rorers, Heinrich am Grunds [Heimo Amgrund], Oswald Isners und Erni Anderhaldens, die alle bei Salat fehlen, stammen; ebenso der Bericht über die Graböffnung im Jahre 1518 und vielleicht auch die Zeugnisse der am Grabe Geheilten, für die er sich auf die Tafel in der Sachsler Kirche beruft, die Salat zwar erwähnt, aber nicht wieder gegeben hatte. Freilich kann er die ... Tafel auch an Ort und Stelle gesehen haben.» Witwyler könnte wohl die Legende von Rhaetus gekannt haben, dazu auch andere Quellentexte, dennoch liegt seine Arbeit bezüglich biographischen Inhalt und Wortlaut grösstenteils näher bei Salat (Quelle 233).
  
Im gleichen Verlag in Dillingen erschien übrigens zwei Jahre früher auch die Neuausgabe des Pilgetraktats durch Adam Walasser (Quelle 259).
  
Rätselvoll erscheint die Tradierung der sogenannten «Reimsprüche» (bzw. «christliche Lehrsprüche»), welche Witwyler am Ende seines Werkes anfügt. Das älteste schriftliche Zeugnis davon ist die «Legende» von Sebastian Rhaetus (Quelle 221 – Wortlaut siehe dort, entsprechend der äusseren Versform nach Witwyler) aus dem Jahre 1521. Rhaetus muss den Text wohl abgeschrieben haben, darauf weist die ungeschickte Niederschrift hin: die Reime befinden sich jeweils nicht am Ende sondern in der Mitte der Zeilen. Bei Salat sind diese Sprüche nicht abgedruckt. Sie tauchen erst wieder bei Witwyler auf, hier in der richtigen äusseren Form; der Wortlaut ist jedoch gleich wie bei Rhaetus. Hat nun Witwyler den Text von Rhaetus übernommen und korrigiert, oder hat er eine andere Vorlage benutzt? Jedenfalls ist die Fassung bei Witwyler um 4 Zeilen länger, und anschliessend wird der Wahlspruch «O mensch glaub in gott krefftigklich ...» (Quelle 217) abgedruckt. Es ist sehr wahrscheinlich, dass Witwyler die Vorlage von Ritter Melchior Lussy erhalten hat, der ein «Gebetbüchlein» von Bruder Klaus besass (vgl. Durrer, 769 und 813). Schliesslich überliefert Witwyler auch das spezielle Gebet des Eremiten, das mit der ältesten schriftlich auffindbaren Quelle (Quelle 067) im Wortlaut nicht völlig übereinstimmt, ebenso nicht in der Reihenfolge der Verse. Auch hier stellt sich die Frage, woher Witwyler den Wortlaut kannte und übernahm. – Beides, Gebet und Reimsprüche, finden wir später auch wieder bei Petrus Kanisius (Quelle 275).
  
Bemerkenswert sind die Sprüche – Reimsprüche – Die Abschrift Witwylers von der Schrift des Sebastian Rhaetus ist identisch bis auf den Zeilenumbruch mit den jeweiligen Reimen am Ende der Zeilen. Anders bei Rhaetus, hier befinden sich die Reime in der Mitte der Zeilen. Das lässt vermuten, dass er von einer heute nicht mehr auffindbaren Vorlage abgeschrieben hatte und dabei nicht auf die Versform achtete (ein Unterfangen, das jedoch an sich nicht leicht ist). Wer war der Autor der Sprüche? Bruder Klaus konnte nicht schreiben. Es ist trotzdem durchaus denkbar, dass er mit der Entstehung des Inhalts zu tun hatte – wenigstens teilweise, als Ergänzung bereits bestehender Motive. Wahrscheinlich hatte ihm Bruder Ulrich dabei geholfen und diese Sprüche dann aufgeschrieben. Für eine grosse Zuverlässigkeit der Überlieferung spricht, dass Rhaetus Kaplan im Ranft war und sich so nahe an mündlichen und schriftlichen Quellen befand. Sucht man im übrigen für diese Reimsprüche ein literarisches Vorbild, dann findet man es weiter zurück im Mittelalter, in den Minnesängen des Buches «Das fliessende Licht der Gottheit» der Zisterzienserin Mechtild von Magdeburg (gest. um 1280, Handschrift in der Stiftsbibliothek Einsiedeln).
  
Vom Inhalt der Reimsprüche ist von grosser Bedeutung, dass darin das Leitmotiv des Eremiten im Ranft sichtbar wird: Das Leiden Gottes [Leiden Jesu, Passion Jesu, Passion Christi], «Gottes Marter und sein bitterlich Pein», im Herzen zu tragen und zu jeder Zeit zu betrachten. In der Zusammenschau mit anderen Quellen, mit dem Bericht des unbekannten Dominikaners (Quelle 005), einem Kernsatz in dem bekannten Brief des Einsiedlers an den Rat von Bern (Quelle 031) und den 15 Passionsbetrachtungen (Quelle 055) gewinnen die Reimsprüche an Authentizität, sie sind ein glaubwürdiges Zeugnis für die Spiritualität von Bruder Klaus. Dieser spricht gerade im Brief nicht vom Leiden Jesu oder Leiden Christi, sondern vom Leiden Gottes. Und genau in diesem Punkt besteht in den Sprüchen eine deutliche Übereinstimmung. Das meditative Verbergen in den Wunden Jesu bringt die wahre Lebensfreude, dadurch erfährt die Brunnenvision im dritten Spruch eine weitere Deutung: Bruder Klaus nennt Jesus Christus «Brunnen aller Gnaden und Tugend». Das Leiden Jesu erfährt bei Rhaetus noch eine weitere Nennung: im Leiden Jesu §21 seiner Biographie erweitert er die etwas knappen Angaben Wölflin genau um dieses Thema, was im ganzen Zusammenhang der Zeugnisse über Bruder Klaus durchaus glaubwürdig ist.
  
Auch das Symbol der Lilie findet sich in den Reimsprüchen. Der ältere Namen dafür ist «Ilge», bzw. auch «Gilge», der wiederum sprachlich verwandt ist mit dem Adjektiv «heilig». Rhaetus spricht vom «Lilienschein» [Heiligenschein] – bzw. in der Originalsprache: «gilgenschein» (Witwyler, in: Durrer, 786) – der in der Seele entsteht, wenn die Gottheit hineinscheint. «Wenn sich Gott in der Menschen-Seel’ sonnet, es im Himmel blüet und wonnet.» In der Ikonographie ist die Lilie oft ein Attribut der Heiligen.

  
Referenz: Robert Durrer, Bruder Klaus-Quellenwerk, 769–789 – Reimsprüche: 783–786
  

   Wahrhaftige wunderbarliche Erzählung
  
und Leben des recht frommen, andächtigen, gottseligen, weitberühmten Niklaus von der Flüe (den man nennt Bruder Klaus) ob dem Wald in Unterwalden, in der Eidgenossenschaft geboren.
  
Vor dreissig Jahren in den Druck gegangen, jetzt jedoch erneuert und verbessert durch F[rater] Huldreich Witwyler, Pfarrer in Einsiedeln.
  
Samt einer Vorrede und christlichen Ermahnung desselbigen an eine löbliche Eidgenossenschaft.
  
Mit Römisch kaiserlichen Majestät Freiheit.
  
Gedruckt in Dillingen von Sebald Mayer MDLXXI [1571].
   
[Vorrede:]
Den strengen, edlen notfesten Herren und Landsleuten der fünf alten christlichen Orte der Eidgenossenschaft, seinen insbesonders günstigen Herren und Patronen, auch allen und jeden frommen, gottseligen, wahrhaftigen Christen, wünscht F[rater] Huldreich Witwyler, Konventual und Pfarrer des Gotteshauses Unserer Lieben Frau zu Einsiedeln, Gnade und Barmherzigkeit von Gott unserem Herrn, mit Ehrerbietung seines armen Gebetes zu Gott in dieser Zeit.
  
Ich bin ohne Zweifel, es ist euch, hochgeachteten, günstigen, lieben Herren zum Teil wohl bewusst, wie im vergangenen Jahr 37 [1537 – Datum des Drucks] der kleineren Zahl, ein christliches Büchlein und Historie durch eine katholische, christliche, ehrsame Person geschrieben und in Druck gegeben wurde, worin das Leben und Sterben, Tun und Lassen des recht frommen, gottseligen und weitberühmten Mannes und Freund Gottes [Gottesfreund], Bruder Klaus von der Flüe, der vor Zeiten im christlichen Ort Unterwalden ob dem Kernwald Landmann [Bauer] gewesen war, mit gründlicher Wahrheit angezeigt und genügend ausgewiesen. Ichzweifle nicht daran: Durch dieser Beschreibung und wunderbaren Erzählung haben sich viele Christen gebessert, und nicht wenige wurden im wahren, allgemeinen, heiligen, christlichen, alten, unanzeifelbaren Glauben gestärkt oder doch durch solche gute Weissagung zur Erkenntnis der Wahrheit, vermittelt durch göttliche Gnade, gekommen. Denn gerade um dieser Ursache willen wird das Leben der auserwählten Freunde Gottes für uns aufgeschrieben, und es soll auch den einfältigen und Ungelehrten oft und billig vorgebracht werden. Weil nun aber die Exemplare der Bücher der erwähnten Erzählung alle verkauft worden sind, von vielen gelesen und aufgenommen, so dass sie kaum noch irgendwo zu finden sind, haben viele fromme, gutherzige Christen, samt und sonders, ausserhalb und innerhalb der Eidgenossenschaft mit herzlichem Verlangen begehrt, dass diese nützliche und treffliche Erzählung wiederum in Druck gehe. Und unter die christliche Gemeinschaft verbreitet werde. Denn nicht allein des gottseligen und recht geistlichen Mannes, der darin beschrieben wird, überall bekannt und weitherum berühmt, sondern auch sein Leben, das derart mit Tugenden und Taten geziert und befestigt ist, dass alle Verständige und Gottesfürchtige den wunderbaren Gott in diesem seinem auserwählten Diener und Freund recht loben und herrlich ehren sollen. Es ist darum auch kein Wunder, dass dieser, der die ganze Welt verachtet hatte und Gott allein bekannt und gefällig sein wollte, aus besonderer Vorsehung Gottes mit seinen wunderbaren, gottseligen und heilsamen Werken schliesslich das erlangte, dass er vor und seinem Sterben für viele andere, grosse, mächtige und prächtige Herren und Fürsten in der ganzen deutschen Nation überall bekannt war und dadurch Gott als der lebendige Brunnen [man denke an die Brunnenvision – nach Kaspar Ambühl, Quelle 068] aller Gnaden im höchsten Thron von Vielen geehrt werde. Dieser im Geist Arme und in Tugenden reiche Bruder Klaus gibt mit seinem Leben auch die Frucht, dass wer seinem Beispiel recht und fleissig nachtrachtet, dadurch eine heilsame Lehre und Ermahnung schöpft, damit er sein Leben um so besser erkenne, die Welt desto mehr verachte, seine vergangenen Sünden grösser einschätzt und eifriger bereut, beichtet und büsst, auch sein ganzes Leben fleissiger zu der Ehre Gottes richtet und hinordnet. Ein solcher Einsiedler ist in unseren Zeiten wohl seltsam, ein solcher wird auch in vielen Ländern kaum gesehen und gefunden. Wenn jedoch Gott einen solchen, edlen, lichten Stern auch zu diesen letzten, betrübten, elendvollen Zeiten in unserem Land hat aufgehen und scheinen lassen, wer könnte eine solche Gnade verachten und einen solchen Menschen Gottes, der uns, wie ein zweiter Anthonius oder Hilarion, in besonderer Weise geschenkt wurde, für gering halten und achten? Wer (so sage ich) möchte den guten Baum nicht an seinen gottseligen Früchten erkennen und loben? Wer könnte dann auch daran zweifeln, der heilige Geist habe ein solch gnadenreiches Werkzeug darum so herrlich ausgerüstet und begnadet, dass er durch die Einfältigen und vor der Welt Törichten [1 Kor 1,18ff.] die Weisen der Welt zuschanden macht und den Kleinen offenbart, was durch die rechte Urteile Gottes den Klugen und Weisen verborgen bleibt [Mt 11,25]. Meines Erachtens sollten wir uns diesen edlen Ritter und getreuen Diener Christi um so mehr gelten lassen und uns seiner von Herzen erfreuen, weil er auch ein Deutscher gewesen war und etlichen in diesem Leben wohlbekannt gewesen ist. Denn daran haben wir Deutsche uns ja wohl und emsig zu erinnern, dass wir desto mehr von Glauben und Religion eines solchen trefflichen, teuren und gnadenreichen Mannes halten, in einer Kirche mit ihm leben und sterben, auch nach seinem Beispiel in gleicher Weise die hochwürdigen Sakramente ehren, begehren und gebrauchen. Ich lasse nun die Anderen im Glauben wanken und zweifeln, schach und irrig dahingehen und von einer Sekte in die andere fallen, dass sie kaum wissen, was sie glauben und in welcher Religion sie leben und sterben wollen. Was aber uns Eidgenossen betrifft, wäre es nur recht und billig, dass wir unsere christlichen Herzen zu diesem grossen Freund Gottes aufrichten, ihn uns oft vor die Augen stellen und darin, wie in einem klaren, hellen Spiegel, den wahren, seligmachenden Glauben anschauen, die unverfälschte, reine Lehre, und unsträfliche, tugendreiche Leben und schliesslich das, was jener liebte und hasste, tat und liess, bis zu seiner letzten Grube. Ei, das lasset uns einmal zu Herzen gehen, da wir wissen, wie auch dieser unser Landsmann uns und sein ganzes Vaterland so treulich warnte und von künftigen Dingen genügend durch Gott geweissagt hatte, wenn wir nur daran denken wollten und nicht allein den Unsrigen sondern auch unseren Nachkommen zum Guten gedeihen lassen!
  
Dazu, dass ich mich aber gerne zu diesem Werk verwende und mich willig erzeige, hat mich zuvor die Ehre Gottes de allmächtigen und dann auch der gemeine Nutzen meines edlen Vaterlandes bewegt. Dazu hat mir auch eine nicht kleine Ursache der edle, starke und gottergebene Junker Hans von Ehrenberg, zur Zeit hier wohnhaft in Einsiedeln, der aus christlicher Liebe die Kosten nicht scheut, da er gute christliche Bücher anfertigen lässt und für den gemeinen Mann in Druck gibt. Darüber hinaus habe ich diese Arbeit auf mich genommen infolge Anregungen von etlichen gutherzigen, christlichen Freunden, die sich nicht zu unrecht darüber beklagten, dass die vorgedruckten Erzählungen, wie erwähnt, nicht mehr vorhanden sind, so sehr, dass ich nach langem Nachfragen und grossem Verlangen das uralt geschriebene Original kaum bekommen konnte. In diesem habe ich mich umgesehen und gründlich befunden, dass es sich mit anderen gedruckten Büchern wohl vergleichen lässt. So bin ich durch den genannten Junker dahin bewegt worden, das ganze Exemplar wieder zu erneuern und in Druck zu geben. Demnach habe ich (wie Gott meine Zeuge ist) keine falsche und erdichtete Neuerung oder Zusatz diesem Buch hinzugefügt, sondern allein das, was offensichtlich zu Tage kommt und die uralte, geschriebene und vormals gedruckte Erzählung auch als wohl und weit bekannte Wahrheit mitbringt, hinein setzen wollen. Ich habe auch bisweilen die unwidersprechende Autorität der göttlichen Heiligen Schrift als kostbare Edelsteine unter das Gold gemischt, besonders dewegen, damit es sichtbarer werde, unser gottseliger Bruder Klaus habe der göttlichen, heiligen, evangelischen Schrift ganz gleichförmig und selig nachgelebt und geglaubt, auch all sein Tun und Lassen nach der Richtschnur des göttlichen Wortes ausgerichtet und vollendet [Randbemerkung:] Bruder Klaus hat nicht gegen das Evangelium gelebt. – So bin ich guter Hoffnung, diese mein kleingefügte Arbeit werde Manchen zum Guten gedeihen und an Vielen nicht verloren sein, ungesehen dessen, dass nicht wenige von ihnen in dieser Zeit so gescheit sein wollen, so dass es ihnen schier niemand recht und genug tun kann. Denn wahrlich um der Ursache willen und aus keiner anderen Meinung heraus ist es geschehen, dass ich mich dieser Arbeit unterworfen habe, damit den gutherzigen, frommen Christen, nach ihrem herzlichen Verlangen, mit diesem Buch zur Besserung [Erbauung] des Lebens gedient sei und damit dieser köstliche, teure Schatz und erscheinendes Licht so zu einem christlichen Leben Vielen so dienstlich sein möge, damit er nicht länger verborgen liegt, sondern in diesen verfinsterten Zeiten wieder an den Tag komme. Denn wie der weise Mann spricht: Weisheit, die man verbirgt, und ein Schatz, den man vergräbt, wozu sind beide nützlich? [Sir 20,30] Ja, Christus, die ewige Wahrheit selber, sagt: Niemand zündet ein Licht an und stellte es an einen heimlichen Ort, auch nicht unter eine Bank, sondern auf einen Leuchter, damit diejenigen, die hineingehen, das Licht sehen, und damit es denen leuchte, die im Hause sind [Lk 11,33]. Dass aber dieser fromme, gottselige Mann, Bruder Klaus, ein Licht ist, das Gott mit seiner Gnade wunderbar erleuchtet und mit dem Feuer seiner Liebe angezündet hat, bedarf meines Erachtens keiner grossen Diskussion.
  
Seine Gottseligkeit und seine Wunderzeichen, welche Gott in seinem sterblichen Leib noch heutigen Tages erzeigt, erweisen genügsam die helle, klare Wahrheit, wenn einer nur Augen hat um zu sehen und ein Herz um zu glauben, was hernach folgt. Darum ist es nicht allein billig, sondern auch, wie es mich dünkt, von Nöten, dass in dieser letzten, gefährlichen, verblendeten und verfinsterten Welt eine solche Erzählung, als ein erscheinendes Licht, um das grosse Haus Gottes zu erleuchten, hervorgestellt wird. Dabei soll ein jeder angemessen die Gnade und die Kraft Gottes erkennen und loben, auch dem Schöpfer für einen solchen wunderbaren Diener Gottes danken und Ehre geben. Man rühmt sich wohl in dieser Zeit des heiligen scheinenden Lichtes und klaren Wortes Gottes, aber wenn man die schändliche Sünden, Laster und böse verfluchte Werke der jetzigen Welt, die gegen das Licht streiten, entgegenhält und betrachtet, so spürt man eigentlich und findet offensichtlich, dass die armen, üppigen und elenden Christen leider nie mehr in Finsternis gewandelt, nie mehr die Finsternis mehr geliebt und das wahre, rechte Licht nie so sehr gehasst haben. Wenn man aber das Licht flieht und die Finsternis liebt, ein Blinder den anderen führt, ist man leider vom rechten, alten, wahren, sichern Weg und den Fussstapfen Christi, auf denen Bruder Klaus und andere fromme Christen emsig gewandelt sind, abgewichen. Und die Sache ist schliesslich in ein solches grässliches Labyrinth geraten, das man schier nicht weiss, wo aus, wo ein. Doch solche verblendete Menschen bedürfen es sehr wohl, dass sie mit Saulus in das Haus Gottes, das ist zu der christlichen Kirche, vom treuen Diener Hananias [Apg 9,10ff.] geführt werden. Hier möchte sie ohne alle Zweifel bald lernen, was sie tun und lassen sollten. Und es werden ihnen gewiss die Schuppen von den Augen fallen, die sie vom Heiligen Geist auch das wahre Licht empfangen und zur vollen Erkenntnis der Wahrheit kommen. Aber die gottlosen, boshaften, verstockten, widerspenstigen Leute wollen lieber mutwillig betrogen und verführt sein, als dass sie wiederum in das Haus Gottes zurückkehren und sich auf den rechten Weg mit unserem Landsmann Bruder Klaus begeben, ohne Rüchsicht darauf, dass sie es schier greifen können und es mit grossem Nachteil der Seele und des Leibes, Gutes und Blutes täglich sehr wohl erfahren, wie sie in die tiefen Gruben allerlei verführerischer Irrtümer so jämmerlich fallen und versinken. Gott will sich einmal über alle irrigen Schäflein erbarmen und die reissenden Wölfe von seinem wahren Schafstall vertreiben.
  
Möchte aber einer hier gedenken und sagen: Es ist ja eine seltsame, ungewöhnliche und schier unglaubwürdige, gewiss jedoch eine zu unserer Zeit gar unerhörte Sache, dass man es für wahr halten will, Bruder Klaus habe bei zwanzig Jahren ohne alle natürliche und leibliche Speise und Trank sein Leben erhalten: Wo liest und findet man dergleichen in anderen Erzählungen und Geschichtsbüchern? Will ich jetzt die anderen grossen Wunderwerke und seltsamen, unbegreiflichen Taten dieses Einsiedlers unerwähnt lassen, die in kurzen Jahren sich ereignet haben sollen, die jedoch bei der jetzigen Welt nicht ein so grosses Ansehen gewinnen und wenig oder gar nichts helfen können? [Gemeint sind offensichtlich die politischen Mahnungen bezüglich Söldnerdienste bei fremden Mächten] – Darauf gebe ich schlicht und kurz diese Antwort: Es ist nicht von Nöten, ja auch unmöglich, dass die böse, irrige, verkehrte Welt alles annehme und probiere, was Gott der allmächtige zuvor im Alten und Neuen Testament gewirkt und erzeigt hat oder auch in unseren Zeiten an seinen lieben, auserwählten Freunden wunderbar wirkt und erzeigt. Denn es ist und bleibt die immerwährende, langhergebrachte Gewohnheit und Art der Weisen der Welt, dass sie nach ihrer Klugheit und ihrem Wahnwitz nicht nur gegen den frommen, lieben Freund Gottes sondern auch gegen Gott selber und gegen sein göttliches Wirken vermessen daherreden und widerstehen, sie scheuen sich auch nicht, sich an dem guten wie auch teuren, heilsamen göttlichen Wort, sich grausam zu ärgern und zu stossen. Ganz zu schweigen, dass auch Christus selber der blinden, argen Welt als ein Zeichen gesetzt sein muss, welchem man allenthalben widerstrebt, und zu einem Stein der Ärgernis [Eckstein, Mt 21,42], woran sich nicht nur die Juden, die abgöttischen Heiden und abtrünnigen Ketzer stossen sondern auch die falschen Christen, bis auf den heutigen Tag, und sich selbst zuschanden machen. Was nun den oft genannten Bruder Klaus anbelangt, besteht die Meinung, dass an ihm auch die gnadenreiche Verheissung Christi erfüllt worden ist, da er sagt: Wahrlich, wahrlich, so sage ich euch, wer an mich glaubt, der wird auch die Werke tun, die ich tue, und wird noch grössere tun, denn ich gehe zum Vater [Joh 14,12]. Und da nun die Welt je länger je böser, arglistiger und verführerischer wird, hat die Weisheit Gottes ohne Zweifel diesen gebenedeiten [gesegneten] Einsiedler desto mehr erwählt und begnadet, damit sein Zeugnis gegen diese neue Verkehrung und Verblendung der Welt desto kräftiger und bei manchen ansehnlicher werde. Denn nicht lange zuvor, ehe der jetzige Zank und Streit über die Religion sich im Land erhoben hat (wie man nicht leugnen kann), lebt dieser Mann Gottes und steht wie eine Mauer in seinem wahren alten Glauben stark und standhaft und bewahrte diesen Glauben nicht allein mit dem Herzen und mit dem Mund, sondern auch mit unaussprechlichen Kräften und dem Wirken Gottes, welche grosses Zeugnis von ihm und der Wahrheit bei manchen geben. Er warnte auch treulich seine Landsleute und weissagte ihnen ausdrücklich von den zukünftigen starken Sturmwinden, Ungewittern und dem Zwiespalt, welche sich bald in der Religion erzeigen und grausam durch das Land gehen werden.
  
War dies nicht eine besondere Fügung Gottes, der auch den Schwachgläubigen solchen Trost und solche Stärkung gibt, damit sie noch heutigen Tages nicht wie ein Rohr auf dem Feld sich umwehen und bewegen lassen von allerlei gewaltigen Sturmwinden der neuen falschen Lehre, Rotten und Sekten, die leider allenthalben je länger je mehr überhand nehmen. Es ist darum kein Wunder, dass diejenigen, welche von den wahren, alten christlichen Wegen und Glauben abgewichen sind, diesem frommen Einsiedler nicht sehr hold sind und seine Wunderwerke und Lehre lieber tadeln als preisen und annehmen wollen, dieweil sie doch wohl wissen und merken, sie würden sich mit ihrem eigenen Schwert schlagen, wenn sie Bruder Klausens Sache gut und glaubwürdig heissen und machen würden. Und wahrlich, es steht jetzt um die schwebenden Sekten, gleich wie es vor Zeiten stund um die blinden, zornigen und neidischen Pharisäer, obwohl sie schon damals selten streng und unsträflich lebten, und als sie Johannes den Täufer nicht auf rechte Weise schelten und verwerfen konnten, so sagten sie dennoch über ihn unverholen: Daemonium habet, er hat den Teufel bei ihm [Mt 11,18]. Wie sagte aber die ewige Wahrheit, Christus von solchen Schändern und Lästerern? Lasst sie fahren, sie sind blind und Führer von Blinden! [Mt 15,14] Wenn nun ein Blinder den anderen führt, dann fallen sie beide in die Grube.
  
Was jedoch die frommen, gottesfürchtigen und verständigen Christen betrifft, bei ihnen bedarf es meines Erachtens nicht viel Ermahnung und Warnung in diesen gegenwärtigen Sachen. Denn sie können sich wohl daran erinnern, wie Gott frei ist in seinen Werken und wunderbar in seinen Heiligen [Am Rande: Psal. 67. =Ps 66,5], die er zu seinen lebendigen Werkzeugen und Instrumente mit allerlei Gnade, Kraft, Tugend und Wunderwerk ausrüstet und ziert, wann, wie und wo er will, ihm zu ewigem Lob und Ehre, seinen lieben Freunden zum Zeugnis und auch vielen anderen zu Nutz und Heil.
  
Item, so wissen auch alle vernünftigen Christen wohl, wie die göttliche Schrift bezeugt: Der Mensch lebt nicht vom Brot allein [Am Rande: Deut. 8., Sap. 16., Matth. 4., Exod. 34., 3 Reg.], sondern Gott auch Moses, Elias, Hilarion [ägyptischer Einsiedler] und viele andere über lange Zeit ernährt und erhalten hat, obschon keine leibliche Nahrung vorhanden war, wie denn auch Christus, unser Herr und Heiland, in der Wüste dermassen ohne alle Speise und Nahrung lebte, dass ihm nicht die Menschen sondern die Engel zum Dienen kamen [Matth. 4., Marci 1.]. Was bedarf es denn viel des Zankens und Zweifelns wegen unserem Einsiedler? Man sagt und schreibt nicht von ihm, dass er aus eigener Kraft ohne Speise lebte und die Natur erhalten hat, denn dies wäre kurzum unmöglich, welches er selber keinem geraten, ja sogar seinem lieben Bruder [Ulrich, vgl. Wölflin – Quelle 072] abgeraten und verboten hatte, da dieser auch ohne alle Speise leben und Gott dienen wollte. Dies ist aber die Meinung und die Wahrheit, dass man Gott das Lob und die Ehre geben wolle, der in unseren Zeiten diesen unerhörten und von Jugend an gebenedeiten Eidgenossen über so viel Tausend gross und herrlich machte und seine alten trefflichen Wunderzeichen an diesem dermassen erneuerte, ja wir ja billig darüber mit David sagen und singen müssen: Vom Herrn ist dies geschehen, und es ist wunderbar in unseren Augen [Psal. 117. =Ps 118,23].
  
Demnach will ich alle gutherzigen, frommen, alten Christen ernstlich ermahnt und zum Höchsten um Christi Jesu willen gebeten haben, sie wollten dieses gegenwärtige Werk und darin die wunderbaren Geschichten Gottes nicht verachten, sondern angemessen und wohlbedacht zu Herzen nehmen, dieweil Gott selber durch seine Propheten alle Menschen so emsig warnt: Wehe euch, dies Böses tun und Gutes böse nennen, die aus Finsternis Licht und aus Licht Finsternis machen, die aus sauer süss und aus süss sauer machen [Jes 5,20]! Wer Augen hat, der schaue hin und merke den wahren, alten, richtigen Weg, worauf Bruder Klaus nach Gottes Befehl so treu und beständig wandelte und billig auch heutigen Tages alle Christen wandeln sollten. Dann aber sprach Gott durch Jeremias, seinem Propheten: Stellt euch auf die Strasse und seht, fragt nach den alten früheren Wegen, welches der gute Weg ist, darauf sollt ihr wandeln, so werdet ihr für eure Seele Ruhe finden [Jer 6,16]. Insbesondere will ich hier auch freundlich die fünf frommen, katholischen, christlichen Orte der löblichen Eidgenossenschaft ermahnt und gewarnt haben, dass sie an diesem Helden Gottes, ihrem wahren, edlen Landsmann festhalten und ihn als ein scheinendes Licht oft vor Augen setzen, auch von seinem Glauben und dem anderer löblicher Vorfahren nicht im geringsten abweichen, in diesen jammervollen und verführerischen Zeiten.
  
Wahrlich, dieser Mann Gottes wird gegen alle seine Landsleute noch Zeugnis geben, die entgegen seiner treuen Warnung vom rechten Weg abkamen und sich in allerlei Sekten stürzen lassen. Je löblicher es diesem gottseligen Einsiedler ist und ihm immer vor aller Welt nachgesagt wird, dass er so standhaft im Gehorsam Gottes und der Kirche geblieben ist und den gleichen Weg seinen Nachkommen und all seinen Landsleuten gewiesen hat, desto mehr Ruhm und Lob verdienen auch diejenigen vor Gott und der Welt, welche jetzt in ihrem Vaterland und in der ganzen deutschen Nation ihren beständigen, lang hergebrachten und wohl begründeten Glauben nicht verändern, sondern nach der Lehre von Paulus [Ephes. 4.], an einem Gott, an einer Taufe und an einer Kirche festhalten und verbleiben.
  
Damit ich jedoch diese lange und doch, wie ich hoffe, nicht unnütze Vorrede beschliesse [Am Rande: Ursache der Dezidierung an die fünf Orte], will ich auch einmal diese oft genannte Erzählung euch meinen gnädigen Herren der fünf alten, christlichen Orten der Eidgenossenschaft besonders zugeschrieben und dezidiert [gewidmet] haben. Diese wurde also verbessert und erneuert unter eurem Namen, Schutz und Schirm und soll von Vielen gelesen werden, obwohl ich weiss, dass vielen unter euch das Leben des oft genannten Bruder Klaus wohl bekannt ist und dass dieses nicht nur schriftlich sondern auch mündlich berichtet worden ist seitens eurer frommen Eltern und von denen, die vor kurzer Zeit noch unter uns waren, welche mit dem frommen, Gott liebenden Bruder Klaus mündliche Zwiesprache gehalten und von ihm Lehren empfangen haben. So steht diese Erzählung bei euch in frischem Gedächtnis und bedarf keiner weiteren Beweise. Je besser aber und je mehr auch anderen Nationen solches Geschehen wohl bekannt ist, um so mehr werdet ihr, als treue Patrone auch ohne Zweifel diese Wahrheit wider alle Lästerer und Verleumder schützen und schirmen. Denn sonst würde es ja wenig nützen, Bruder Klaus gesehen und die Wahrheit von ihm gehört zu haben, wenn man die erkannte Wahrheit nicht handhaben, verteidigen und ihr auch treu nachfolgen will, so wie ihr es bisher tapfer getan habt und ohne Zweifel mit Gottes Gnade, eurem löblichen Eifer und eurer Pflicht nach weiterhin tun werdet. Ich bin ganz sicher, es wird euch, meine gnädigen Herren, nicht ärgern, weil diese Erzählung ebenso einfältig wie schlecht gestaltet ist, denn sie wurde vor allem wahrhaftig und durchaus gerecht geschrieben. Die Wahrheit bedarf keines Künstelns und Zierens, sie ist an sich selber schon genug, auch wenn kein grosses Aussehen und Schmücken hinzu kommt. Die ewige Wahrheit, Christus, wolle durch die vortreffliche Fürbitte von Maria, seiner heiligsten Mutter, und von Bruder Klaus, eurem treuen Landsmann, euch samt euren Landsleuten und Untertanen in aller Glückseligkeit, Wohlfahrt und Frieden mit Gott und den Menschen in diesen gefährlichen Läufen lange Zeit erhalten. Datum, Einsiedeln, den 2. Tag im März im 1571. Jahr. 
     
HolzschnittVon des gottseligen Bruder Klaus natürliche Figur und Gestalt
  
Merket euch Bruder Klausens Figur ...
dass Gott ihm jetzt seine Belohnung gibt [wie bei Hans Salat –Quelle 233]
  
Bruder Klausens Abbild, als er verschieden ist oder in Verzückung des Geistes gewesen ist.
  
  
[Es folgen nun die Abschnitte aus der «Legende» von Hans Salat, die jedoch orthographisch hie und da abweichen, dem Inhalt nach wesentlich identisch sind. Witwyler ergänzt jedoch bisweilen die Kapitel mit eigenen Kommentaren, die im folgenden wiedergegeben werden.]
  
[vgl. Salat *30 – Bruder Klaus gibt Ratschläge an die Eidgenossen. Darin der berühmte Satz: «Macht den Zaun nicht zu weit ...» – Witwyler fügt ergänzend an:]
  
Wer sieht aber nicht, was das für ein weiser, wohlbegründeter und christlicher Rat sei, welchem zum ersten die löblichen Eidgenossen und neben ihnen alle Herren, Fürsten und Potentaten billig folgen sollten.
  
[vgl. Salat *31 – Mahnung an die Landsleute, auf dem Weg der Vorfahren weiter zu wandeln ... Witwyler ergänzt:]
  
Ich meine aber, wir haben es endlich wohl erfahren, dass der prophetische Geist in Bruder klaus nicht fehlte sondern die Wahrheit getroffen hat. Noch will man aber dem frommen, gottseligen Mann nicht glauben und trauen, wie väterlich er uns alle warnt und besonders seinen Landsleuten alle Dinge so deutlich anzeigt, dass sie mit ihrem grossen Schaden wohl sehen und erfahren, was daraus erfolgt ist, wenn man Bruder Klausens Rat und Ermahnung nicht folgt.
  
[Nun schreibt Witwyler einen Abschnitt neu, er enthält das Missverständnis über die Entstehung des «Radbildes» im Zusammenhang mit einer Vision, ähnlich wie 1503 bei Carolus Bovillus – Quelle 201< – und dem später Martin Luther folgte – Quelle 227< – Witwyler schreibt mit knappen Worten:]
  
Der ewige, allmächtige Gott, der seine auserwählten Freunde manchmal und in vielerlei Weisen heimsucht und erleuchtet, hat auch diesem lieben Einsiedler mit allerlei Gesichten [Visionen] und geistlichen Offenbarungen oft begnadet und getröstet. Ein Beispiel hat er selber in seinem Leben angezeigt, wie in dem Original zu sehen ist, in welcher Gestalt ihm offenbart wurde von seltsamen grossen, heimlichen Dingen. Was nun dabei als Mysterium und Bedeutung zu verstehen ist, das wollen wir den lieben erleuchteten Freunden Gottes anheimstellen, weil nicht einem jedem gegeben ist, die unergründlichen Geheimnisse Gottes zu wissen und zu erklären [Luc.8.]. Das oben erwähnte Original wird noch in seiner Wohnung im Ranft in Unterwalden ob dem Kernwald vorgefunden [In Wirklichkeit ist es nur eine Kopie]. Wir wollen hier nur die Figur hinsetzen, wie wir es aus dem Original haben erfassen können. [Es folgt die Version des Meditationsbildes aus der Neuausgabe von Adam Walasser – Quelle 259].
  
[Die Brunnenvision – vgl. Salat *1 (Quelle 233) – Ulrich Witwyler verlegt diese Vision zeitlich in den Lebensabschnitt im Ranft, während es frühere Biographen in die Zeit legen, als Bruder Klaus noch im Haus der Familie weilte. – Witwyler gibt nun zuerst die Version Salats wieder, fügt dann jedoch eine weitere Vision hinzu, mit dem Vermerk, dass etliche das Gesicht weitläufiger beschreiben, wodurch die Sache besser verstanden werden kann. Was Witwyler dann im Text wiedergibt ist der Vision von Rhaetus – Quelle 221< §12 – recht nahe, dennoch weisen Einzelheiten, bildhafte Schilderungen, wie der Vergleich mit dem Schreiten über das Moos (bzw. Sumpf) und wie es aus dem übervollen Brunnenkasten aus allen Ritzen zischt und rinnt, auf eine noch ältere Version hin, nämlich auf die von Caspar Ambühl – Quelle 068) – Witwyler muss den Text von Ambühl, eine Abschrift davon oder eine vielleicht ältere, unauffindbare Version gekannt haben. Seine Version beginnt nun jedoch etwas verstümmelt:]
  
Etliche beschreiben dieses Gesicht und Offenbarung weitläufiger, auf folgende Weise, daraus vielleicht die Sache besser verstanden werden kann. Bruder Klaus soll im Geist viele arme Leute gesehen haben, welche grosse Arbeit taten. Und er verwunderte sich sehr, dass sie so arm waren und doch keiner von ihnen hineinging [in den Tabernakel, Palast], um Wasser aus dem Brunnen zu schöpfen, obwohl sie es hätten tun können, und der Brunnen ihnen gemeinsam gehörte. Er wunderte sich auch, wo der Brunnen seinen Urpsrung hatte. Als er nun in einen grossen, weiten Saal kam, fand er einen grossen viereckigen Kasten, gestaltet wie ein Altar [so nur bei Witwyler], aus dem der Brunnen hervorquellte. Und als er zum Kasten hinging, meinte er, er würde versinken, wie bei einem, der über ein Moos geht. Dabei erkannte er im Geiste, wer seine Füsse nicht schnell an sich zieht, der kann nicht zum Kasten kommen. Dann stand er da und betrachtete den Kasten, der an vier Orten beschlagen war mit vier mächtigen, eisernen Blechen. Und er hörte im Kasten und in seinem Kennel [Röhre] einen solchen lieblichen Gesang, dass er sich darüber sehr wunderte. Das Wasser war auch so rein, dass man eines Menschen Haar am Boden gut hätte sehen können. Und wieviel immer daraus floss, so blieb der Kasten doch so voll, dass er überfloss. Da erkannte er wiederum im Geiste, wieviel auch daraus floss, es wäre doch immer mehr gewesen, und er sah es aus allen Ritzen und Spalten zischen. Nun sind diese drei Flüsse [Öl, Wein und Honig] sämtliche durch den Kennel geflossen, jeder Fluss blieb jedoch in seiner Vollkommenheit, so dass ein Fluss den anderen nicht behinderte. Und obwohl diese drei Flüsse sich anschauen liessen, so sind sie doch alle drei in gleicher Vollkommenheit gewesen, so dass es kein Mittel gab, um sie voneinander zu trennen, und sie flossen all gleich als ein einziger Brunnen. Da dachte Bruder Klaus, er wolle wieder hinab gehen. Und als er hinabkam, sah er den Fluss mächtig in den Trog gehen. Abermals dachte er auch, er wolle schauen, was die Leute täten, dass sie nicht hineingingen und aus dem Brunnen schöpften, in dem doch ein grosser Überfluss war. Als er nun durch die Türe hinausging, sah er die Leute grosse Arbeit tun und dabei sehr bleibend. Da achtete er darauf, was sie tun, und fand unter ihnen unzählbar viele, wie in einem weiten Feld, sich wie die Ameisen mühten und sorgfältig, arbeitsam, mit allerlei Geschäften beladen waren und den irdischen Gewinnen anhiengen. Einer machte einen Zaun ... [der Rest wie bei Salat].
  
[Witwyler beschreib nun die feierliche Umbettung der Gebeine von Bruder Klaus von 1518 (vgl. Quelle 216]
  
Und hier ist nicht zu verschweigen, besonders wegen den Pilgern, welche Bruder Klausens Grabstätte besuchen oder wissen wollen: Die Gebeine dieses seligen Mannes sind aus dem Erdreich enthoben worden, wohin er vorher begraben worden war. Dies geschah durch eine ehrwürdige Priesterschaft, die sich hier 1518, am Tag des heiligen Benedikt [21. März] versammelte und die oben erwähnten Gebeine wiederum mit grosser Ehrerbietung in ein herrliches steinernes Grab gelegt wurden, in Sachseln in der Pfarrkirche zu sehen. Auf diesen Grabstein wurde mit eingehauenen Buchstaben verzeichnet: Bruder Klaus ist gegangen von Frau und Kindern in die Wildnis, er diente Gott zwanzigeinhalb [19 1/2] Jahre ohne leibliche Speise, er starb am Tag des hl. Benedikt [21. März] anno domini 1487. – Dem ist zu entnehmen, wie alt er gewesen ist, als er sich zuerst in die Einöde begab, nämlich ein halbes und fünfzig Jahre.
  
Von Wunderzeichen, die bei Bruder Klausens Grab in Sachseln geschehen sind. Wohlan, dieser Diener Gottes ist also gestorben und begraben. Sein Wandel und sein Wesen, als er noch lebte, war jedermann so angenehm, ein schönes Ebenbild und Spiegel aller Tugenden, es tröstete auch viele Christgläubige, die zu ihm kamen. Der gütige Gott hörte aber auch nach dessen Absterben nicht auf, an vielen Menschen das tröstliche und würdige Andenken an Bruder Klaus zu erneuern, ja auch den Namen und die Fürbitte von Bruder Klaus zu ehren und zu zieren mit vielen und grossen Wunderzeichen, die vor allem an mancherlei Kranken, Betrübten, Beschwerten und arbeitseligen Leuten geschehen sind und noch geschehen am Grab dieses seligen Mannes in Sachseln. Hier können auf einer «bermentin tafel» [von «bermde» = Barmherzigkeit, Erbarmen, also: Tafel mit den Wundern, durch das Erbarmen Gottes gewirkt] ein Teil davon, jedoch nicht alle, gesehen und gelesen werden. Diese Wunderzeichen sind bei vielen frommen, glaubwürdigen Leuten noch so frisch und lebendig im Gedächtnis, so dass es nicht viele [andere] Beispiele und Zeugnisse gibt, weil dies ja die tägliche, klare, unüberwindliche Erfahrung und die sichere Wahrheit beweist. [Es folgen nun ein paar Beispiele, die dem Wortlaut und dem Inhalt nach ziemlich identisch sind mit den entsprechenden Wunderberichten im Sachsler Kirchenbuch – Quelle 053]. Solche und noch viel mehr und grössere Zeichen und Wunderwerke, die unzählbar sind, hat Gott der allmächtige durch die treffliche Fürbitte seines lieben Freundes und unseres seligen Vaters Niklaus erwiesen, und hört auch heutigen Tages nicht auf, in der gleichen Gnade zu wirken, an Geistlichen und Weltlichen, an Männern und Frauen, an Alten und Jungen. Es mögen darum über ihn die gleichen Worte gelten, welche Onias über Jeremias, den Propheten, spricht, obwohl sie beide gestorben sind, erschienen sie dem Judas Makkabäus. Dieser (so spricht er) ist der Freund der Brüder und des ganzen Volkes Israel, der fleissig und viel für das Volk und die ganze heilige Stadt betet [2 Makk 14,15]. Daran ist nicht zu zweifeln, dass jetzt auch die Fürbitte von Bruder Klaus vor Gott dem allmächtigen viel gilt und er zu Hilfe kommt, nicht nur seinem Vaterland und der Eidgenossenschaft, sondern auch all denen, die ihn in der Not als einen guten Patron und Freund Gottes in guter starker Fürbitte anrufen und im rechten, wahren Glauben, in starker Hoffnung, in inbrünstiger Liebe, in der Erkenntnis der Sünde, in der Besserung ihres Lebens Gott in seinen Heiligen loben und ehren.
     
  
[Nun folgen die Reimsprüche – ursprünglich fast gleichlautend bei Rhaetus (Quelle 221) – Witwylers Fassung enthält noch die vier letzten Zeilen zusätzlich:]
Die Sprüche [Reimsprüche] des guten seligen Bruder Klaus:
  
Ich will euch sagen eine Lehr,
Das tu ich Gott zu Lob und Ehr.
Ach Gott mich wundert je das Wort,
Das da ging aus deinem Mund,
Darin du hast erschaffen den Himmel und der Erden Grund.
Ach Gott, warum redest du nicht ein Wort,
So hättest du zerstört der Höllen Port.
Und wärest entronnen deiner Pein.
Und würden wir Gottes Kinder sein?
Ach Gott, was soll ich daraus nehmen?
Gott Dein’ Gerechtigkeit soll ich daraus erkennen.
Gott schickt uns seinen Sohn aus dem Thron,
Das er uns mache eine Kron.
Höre Meister mein,
Wie mannigfaltig war deine Pein:
Warum liessest es nicht an weniger genug sein?
Hast du gelitten, die da waren in der Pein,
Oder die hernach gekommen sein?
Gottes Sohn ist am Kreuz gehangen
Und all die erlöst, die da waren gefangen.
Er hat am Kreuz geblutet und gebärdt [gelitten].
Und wer die Frucht von Herzen begehrt,
Dem wird die Frucht gewährt.
Die weisen Propheten von ihm haben gesagt
Und geweissagt seinen Tod,
Dadurch hat er sie erlöset von grosser Not.
Gott hat nichts lieber als des Menschen Leben,
Darum hat sich Gottes Sohn an das Kreuz gegeben.
Ach Gott, ich muss dir das klagen,
Dass ich das Kreuz nicht tue willig tragen.
Wer ist der, der seine Weisheit mag nennen;
Und die Wunder Gottes mag erkennen.
Gott hat gelitten weder zu wenig noch zu viel,
Denn wir dessen alle notdürftig sind.
Mensch denke an die Blümlein klar,
Wie die blühen auf der Erden Plan.
Also sollst du blühen in Gottes Marter zart.
Gottes Marter und sein’ bitterliche Pein
Wie ist die so gar mannigfaltig gsein.
Das ist uns geschehen zum Trost,
Wie Gott den armen Sünder erlöst.
Gottes Marter und sein’ bitterliche Pein
Müssen je die Staffel sein,
Die wir müssen ha’n,
Wollen wir in das ewige Leben gan.
    
Der zweite Spruch
  
O Mensch hab Gott in deinem Mut
Und halt ihn für das best und alles Gut.
O Mensch willst du erkennen,
Ob du lieb habest Gott?
So merke, wenn du Kummer und Leiden trägst.
Magst du Kummer und Leiden tragen,
Und erleiden den weltlichen Spott,
Lauterlich durch Gott:
So magst du wohl erkennen,
Dass du lieb hast den allmächtigen Gott.
Mensch, wenn die Welt dich hasset
Und dir viel Untreue erzeiget,
So gedenke wie dein Gott
Ward verspottet und bespeihet.
Du sollst deinen Nebenmenschen nicht verklagen
Um die Schuld sein,
Sondern sollst Gott bitten,
Dass er euch beiden wollt gnädig sein.
Mensch du sollst in Weisheit stehen,
Zorn lass nicht in dein Haupt ’ein gehen.
Von Zorn wirst du so umgestellt,
Dass dir all dein Mut entfällt.
Denke an die Krone, wie die war so breit,
Die Gott grimmig auf sein Haupt war gelegt.
So manch scharfer Dornnagel ihn stach,
Dass das Blut aus seinem Antlitz brach.
Denk an die drei Nägel,
Die Gott durch Händ’ und Füss’ wurden geschlagen.
Davon litt er so grosse Not;
Und bat für die, die ihm antaten den Tod.
O Mensch, Neid und Hass
Sollst du in deinem Herzen nicht tragen.
Kummer und Leiden sollst du willig tragen.
Mensch, du sollst stets sein in der Demut,
Alle Dinge sollst du kehren zum Gut’.
Denn kenntest du die Sünden Dein,
Und auch die grosse höllische Pein;
So zweifle ich nicht daran,
Es zöge dich von der Liebe Gottes
Weder Frau noch Mann.
Mensch hättest du alle Ehr’ und alles Gut,
Das der Erdboden je trug und tragen tut,
So mag dir doch an deinem letzten End
Nichts anderes helfen
Oder dir nützlich sein,
Denn Gottes Marter und sein bitterlich Pein
Und die Reu’ der Sünden dein.
Auch so du in ganzer Liebe wirst sein.
Darum sollen wir uns der Mutter Gottes
Ganz vertrauend ergeben,
Dass uns allen ein gut’s seligs End’ wird’ gegeben.
      Amen.
     
Der dritte Spruch
  
Ach Gott, wie bist du so hoch und mächtig
Und hast dich dem armen Sünder zugeneigt so demütig.
Ach Gott, wie bis du so in voller Güte,
Dass du so gern wohnst in des Menschen Gemüte.
Des freuet sich manche Seel’, die deiner begehrt,
Und manch grosser Sünder wird dadurch bekehrt.
Ach Gott, du bist ein edler Gast,
Du wirkst in dem Menschen bei Tag und bei Nacht:
Du gibst der Seel’ eine gute Frist,
Dass dann des Menschen Leben
Ganz nach deinem Willen ist.
Dessen lob’ ich dich Herr Jesus Christ,
Denn du der Brunnen aller Gnaden und Tugend bist.
Du bist der barmherzigste Christ,
Der aller Menschen Tröster ist.
Wie soll ich nun in Weisheit stehen,
So ich solch’ Gnade von Gott empfange?
Mensch, zu Gott sollst du haben ein gutes Vertrauen,
Und bitten um eine stete Reue,
Auch um eine gute Erkenntnis,
Wodurch dir wird bekannt:
Der der ewige Gott wird genannt.
Ach Gott, wie bist du so wonnevoll mächtig
Dass die allerliebst’ Seel
Nun mit der Gottheit ist bekleidet.
Ist nun meine Freude grösser in meinem Gemüte,
Oder ist sie grösser in Gottes Güte?
Gott ist zu der Seel’ so lieb,
Er macht darin so manche Freude.
O Mensch, wie könnt dir Gott besser werden bekannt,
Als wenn dir die Liebe Gottes
Vom Himmel wird gesandt?
Was schenken wir dem so edlen Gast,
Den wir geladen haben, all so fest?
Eine stete Liebe für ein Glas
Und den freien Willen für einen klaren Wein,
Dass Gott vom Himmel uns allen soll willkommen sein.
Das Edle lobt man gar fest,
So setzen wir Gott zu uns als lieben Gast.
Weisheit sollen wir ihm schon bereiten,
Darin will Gott haben ein gutes Geleite.
Die Namen drei sind im Gemüte,
Gott uns allezeit behüte.
Wo Gott selber ist,
Da fehlt die Weisheit nicht.
Die Seel’ muss in kindlicher Unschuld stehen,
Darin Gott selber spazieren will gehen.
Warum gibt Gott der Reinheit den süssen Gruss?
Darum, dass er von ihr nimmt der Süssigkeit Lust.
So wie das Bienlein es tut von der Maien Blust.
Es baut manch einer hohe Burg’ und Stätte.
Baut er auch dafür auch auf seine Seel’
Die edlen Rosenblätter?
Darin Gott selber wird hinein gelegt?
Wäre alles Silber und alles Gold
Und alle Edelstein’
An einen Schrein geschlagen,
So könnte es doch nicht solchen Schein ertragen,
Als eine Seele es tut,
Die da gewinnt den Lilienschein,
Wenn die hohe Gottheit selber scheint darein.
Es zog manch einer übers Meer zum heiligen Grabe,
Dass er zum Ritter werd geschlage’.
Das ist ein Ritter wohlgemut,
Der Gott in seiner Seele tragen tut.
Mensch denk an die Sonne breit,
Wie sie hoch am Himmel steht,
Wie sie empfangen hat ihren Schein.
Genau so hat empfangen die Seele dein,
Der ewigen Gottheit Schein.
Wenn Gott selber sich in des Menschen Seele so gebärd’t,
Dann freut sich der Himmel und die Erd’.
Und es freut sich auch der Vater in dem Thron,
Und wird gelobet seine Kron’.
Und wenn sich Gott in des Menschen Gemüt so sonnet,
Es im Himmel blühet und auch wonnet.
Mensch willst du in das ewige Leben gehen.
Dann musst du die Sünde fahren lassen.
So empfängt deine Seel’ den Lilienschein,
Und wohnt Gott mit seiner Gnad’ darein.
      Amen.

Mensch, liesest du oder hörst du gern reden von Gott,
So lieb ihn und halte seine Gebot’!
Tust du dies nach deinem Vermögen,
So stärkt dich die Hoffnung jetzt und in den letzten Zügen.
    

[Schliesslich noch der Wahlspruch (vgl. Quelle 217) und das Gebet von Bruder Klaus (vgl. Quelle 067<:]
O Mensch, glaub’ in Gott kräftiglich, denn
in dem Glauben steht die Hoffnung,
in der Hoffnung steht die Liebe,
in der Liebe steht die Empfindung,
in der Empfindung steht die Überwindung,
in der Überwindung steht die Belohnung,
in der Belohnung steht die Krönung,
in der Krönung stehen die ewigen Ding’
die man jetzt wiegt gar ring.
 
O Herr nimm von mir
Was mich wendet von dir.
O Herr gib auch mir,
Das mich kehrt zu dir.
O Herr nimm mich mir,
Und gib mich zu eigen dir.
     
Schluss[wort] dieser Erzählung, mit christlicher Ermahnung und treuen Warnung des Pfarrers von Einsiedeln, an eine fromme, löbliche Eidgenossenschaft.
  
Obwohl ich guter Hoffnung bin, diese wahre Erzählung über den frommen, seligen Gottesfreund, Bruder Klaus, in der sein Leben, Wesen, Glauben, Tun und Lassen, Sterben und Wunderwerk auf das einfachste beschrieben ist, wird es manchem Geistlichen und Weltlichen, Jungen und Alten gefällig sein und zum Guten erspriessen. So hoffe ich doch, das diese Erzählung besonders der gemeinen Eidgenossenschaft noch weit gefälliger ist, angenehmer und lieblicher, als sie es den Fremden ist, in Anbetracht, dass der teure Mann Gottes eben euer lieber Landsmann und getreuer Eidgenosse in seinem Leben allezeit gar günstig gewesen ist, euch und den euern, für andere Nationen. Darum hat er dem ganzen Land so manche gute, nützliche Lehre, viele heilsamen, treue Ratschläge, Ermahnungen und Warnungen mitgeteilt und hinterlassen, auch darüber, was nützt oder schadet oder noch sich noch ereignen wird, hat er treulich geweissagt. Und bei dieser ganzen Erzählung möget ihr, wie in einem klaren Spiegel, gut sehen, wie ihr euch in geistlichen und weltlichen, in Sachen der Religion und des Varterlandes noch heutigen Tages verhalten sollt. Es besteht auch kein Zweifel, dass solcher besonderer väterlicher, treuer Rat und Lehre in diesen zwiespältigen Zeiten, auch zur Wohlfahrt der Seele und des Leibes sehr wohl dienen und nützen wird. Folgt ihr diesem vortrefflichen und von Gott erleuchteten Mann, so werdet ihr ohne Zweifel weder in verdammte Irrtümer des Glaubens, noch in schädliche Laster des Lebens fallen. Sein Glaube aber war gewiss der starke, wahre, christliche, alte, unzweifelhafte Glaube, den der ewige Gott nicht allein ihm, sondern auch an so vielen tausend auserwählten Heiligen durch grosse Wunderzeichen in ihrem zeitlichen Leben und Sterben, seiner Verheissung nach undwidersprechlich gewährt hat. Demnach, wenn ihr Gott und seine Heiligen liebt, so weichet nicht vom beständigen Glauben des Bruder Klaus, sondern haltet mit allem Ernst an diesem kostbaren und notwendigen Kleinod im Leben und sterben fest. Es ist schon vorher angezeigt worden, und ihr wisst euch wohl daran zu erinnern, wie dieser Einsiedler mit prophetischem Geist schon lange vorher gesagt hat, wie wir es jetzt leider vorfinden, nämlich von dem merklichen Abfall, Zwiespalt und Uneinigkeit der Christen. Wäre man jedoch bei Zeiten dieser treuen Warnung des gottseligen Mannes gefolgt, stünde es viel besser in der verwaisten Eidgenossenschaft, ja in der ganzen Christenheit.
  
Aber wie man Christi Wort nicht hält, so hält man auch nicht die Mahnung und die Lehre seiner Diener nicht. Es ist nicht zu leugnen, wie das Werk den Meister zeigt und die Früchte den Baum, so hat dieser selige Mann von Jugend an bis an sein seliges Ende seine christliche Berufung und Regel mit gottgefälligen Worten und Werken, mit andächtigem Gebet, mit strengem Fasten, mit emsigem Wachen und mit einem unsträflichen Wandel bewährt und geziert. Die hochwürdigen sieben Sakramente, welche uns Christus als wirksames Mittel und Werkzeug, um daraus Gnade zu schöpfen, gnädig eingesetzt und hinterlassen hat, hat er in höchster Ehrerbietung gehalten und diese, vornehmlich die Busse oder Beichte und den Empfang des Leibes und Blutes Christi, alle Monate demütig gebraucht. Er hörte die Ämter der heiligen Messe alle Wochen andächtig in seiner Kapelle. Und durch das Sakrament des Altares, wie er frei bekannte, ist er an Leib und Seele so wunderbar gestärkt worden, dass er ohne Speise und Trank so viele Jahre Leib und Seele erhalten konnte. Das christliche Zeichen, das wir Paternoster oder Gebetlein (Gebetsschnur – Bätti) nennen, pflegte er an seinen Händen zu tragen und schämte sich gar nicht, damit zu beten. Es war auch seine Gewohnheit für die christgläubigen Seelen sehr fleissig zu beten, wenn er das Vater unser und das Ave Maria sprach, wie er denn beide Stücke jederzeit aneinander zu setzen und dabei für die christgläubigen Seelen ein besonderes Gedächtnis zu halten, wie dies klar die Betrachtungen bezeugen, die er über das Vater unser und Ave Maria in steter Übung hatte [vgl. die 15 Passionsbetrachtungen, Quelle 055]. Wieweit man aber jetzt von solchen christlichen Übungen und Werken jetzt abgekommen ist, kann man weder beweinen noch beschreiben. Ja, man ist jetzt leider dahin gekommen, dass solche und andere christliche, Gott wohlgefällige Worte und Werke, trotzig als ein Gräuel Gottes, eine Verkleinerung und Schmälerung des Verdienstes Christi geachtet und verachtet wird. O diese jämmerliche Blindheit und Unseligkeit der verführten armen Weltkinder, die sich für weise halten, obwohl sie zu Narren geworden sind! [Röm. 1.] Möchte doch einer von euch zu ihnen sagen: Wie lange soll Gott euch dulden und zusehen? Wie lange liebt ihr die Unwahrheit? [Gal. 3., Gal. 5.] Ihr liefet zuvor wohl. Wer hat euch aber so bezaubert, dass ihr der Wahrheit nicht mehr gehorcht? Wer euch darum in die Irre führte, der wird gewiss sein Urteil tragen, sei es, wer es wolle. Und wollte Gott, dass die abgeschnitten werden, die euch so verwirren.
  
Ich möchte euch doch noch einmal erinnern, liebe Herren und Freunde, was nicht allein diese erwähnte Erzählung, sondern auch eure alten Chroniken von euren gottseligen, weisen, lieben Vorfahren bezeugen und anzeigen. Bei den alten Eidgenossen wahr ja Friede und Einigkeit des wahren alten, wohlbewährten christlichen und katholischen Glaubens, so dass man von ihnen, wie von den ersten Christen sagen konnte: Die Menge der Gläubigen war ein Herz und eine Seele [Act. 4. – Apg]. Ja, ein Gott, ein Glaube, eine Taufe. Sie hielten alle einmütig in aller Frömmigkeit, Demut, Gottesfurcht und inbrünstiger Liebe gegenüber Gott und dem Nächsten [Ephes. 4., Röm. 12., I. Tess. 2. und 4., Philip. 1. Ephes. 4., I. Tess. 4.], straften das Unrecht und alles Böse tapfer. Sie handhabten Recht und Gut mit allem Ernst. Darum verliess sie auch Gott in ihren grossen Nöten nicht, obwohl es sie viel Blut und Gut kostete, bis sie zu einer solchen herrlichen Freiheit kamen. Dies ist nicht allen andern Nationen widerfahren, obwohl sie sich auch sehr darum bemühten. Zusammengefasst: Weil die alten Eidgenossen an der Einigkeit der Religion und an tugendsamen Werke tapfer festhielten, sind sie an Seele, Leib, Ehre und Gut, Land und Leuten emporgekommen und haben fortwährend zugenommen. Wo jedoch die Einhelligkeit des Glaubens, als ein notwendiges, gottseliges Band der Gemeinschaft nicht bleibt, da kann nicht anderes folgen als wir jetzt sehen und leider auch spüren, als nämlich Zwiespalt, heimlicher Neid, Hass, Unwillen, Misstrauen, Ungunst, Trotz, Bitterkeit, Verachtung, Hoffahrt, Übermut, Ehrgeiz, Eigennutz, Lästerung, Aufruhr, Krieg und Blutvergiessen, oder zumindest viele Hände [Händel, Streit] und wenig Herz. Dieser und dergleichen unaussprechlicher Unrat, Schande und Verderbnis folgen einesteils aus der Uneinigkeit im Glauben andernteils aus der unbussfertigen gottlosen Leben des sündigen Volkes. Darum lehrt der weise Salomon: Die Aufrichtigen werden im Land wohnen, und die Einfältigen werden darin bleiben, aber die Gottlosen werden aus dem Land gereutet [ausgemerzt], und, die Unrecht tun, werden daraus vertrieben [Proverb. 2. – Spr]. Ebenso sagt Jesaja mit kurzen Worten: Das Volk und Reich, das dir, o Herr nicht dienen wird, das wird umkommen [Esai 60.].
   
Wie nun dem sei, ich ermahne treulich und bitte auch, besonders liebe Herren, dass ihr, so viel, wie möglich, die jetzt schwebende Sünde und das Laster verhütet und straft, besonders aber alle Zwietracht, Zwiespalt, Unglauben, Abspaltung und Zusammenrottungen verbietet und abstellt, den ein wenig vom Sauerteig, so sagt es Paulus, versäuert den ganzen Teig [Ephes. 5.]. Lasst nicht zu, dass man die geistliche und christliche Freiheit, zu der wir von Gott aus grosser Gnade berufen sind, zur Leichtfertigkeit des Fleisches und zu einem Deckmantel der Sünden missbraucht und umdreht! [I. Pet. 2., Gal. 5.] Sondern haltet euch daran, dass wir, wie unsere frommen Vorfahren, in rechter christlicher Freiheit würdig wandeln, wie es sich gebührt, in aller Liebe, in Demut und Sanftmut. Denn sonst kann uns die Freiheit mehr schaden als nützen, wie sie denn etliche dahin gebracht und gestürzt hat, dass sie in erschreckende, tyrannische Dienste geraten sind.
  
Davor behüte und bewahre uns gnädig der ewige, barmherzige Gott durch die würdige Fürbitte des frommen, seligen Mannes Bruder Klaus. Amen.
    
  
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