Holzschnitt 1510
    
Nikolaus von Flüe
Bruder Klaus  
  
 
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   Quellen - Bruder Klausund Dorothea
  
  
Briefwechsel mit dem Rat der Stadt Konstanz
  
Quelle Nr. 026

  

  
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Zeit: Januar und Februar 1482
  
Herkunft: a) Rosgarten-Museum Konstanz; - b) Rosgarten-Museum Konstanz; - c) Stadtarchiv Konstanz, Missivenbuch 1481/82, Blatt 54.
  
Kommentar: Die Rechtslage im Thurgau war sehr komplex. In diesem Briefwechsel geht es um die finanzielle Nutzung der Landgerichtsbarkeit über den Thurgau, der 1460 eine gemeinsame Vogtei von sieben eidgenössischen Orten wurde (Bern ausgenommen). Die Eidgenossen strebten eine ungeteilte Kontrolle über das Territorium an, als Schutzmacht zu Gunsten des Gaugrafen des Thurgaus, zugleich Bischof von Konstanz. Aber Kaiser Friedrich lll. wollte seinerseits nicht verzichten und ordnete die Pfändung an. Da rissen die Eidgenossen das Lösungsrecht des Pfandes an sich. Die Konstanzer, die dabei völlig übergangen wurden, protestierten dagegen und riefen das neutrale Bern, ihren Bischof und den Abt von St. Gallen um Vermittlung an. Die Verhandlungen kamen nur schleppend voran, es wurde darüber gestritten, wie die Einnahmen dieses Gerichtsregals aufgeteilt werden sollten. Schliesslich wandte sich der Rat von Konstanz im Januar 1482 mit einem Brief an Bruder Klaus. Dieser gibt seine Antwort. – Bruder Klaus gibt keine fertigen Rezepte, vielmehr will er die Aufmerksamkeit der Fragesteller hinlenken auf die Voraussetzungen des guten Handelns. Bruder Klaus warnt im gegebenen Fall ausdrücklich, sofort mit dem Zwang des äusseren Gesetzes loszuschlagen. Die Angelegenheit soll gütlich geregelt werden. Dann kommt es zur Kettenreaktion, einer guten Tat folgt die andere (vgl. Sir 3,31; 12,1). Dass die Konstanzer an den Einsiedler eine Rückantwort senden, bestätigt es: Hier wurde der richtige Weg eingeschlagen. Die Konstanzer nennen Bruder Klaus einen «liebhaber des frides» (Liebhaber des Friedens).
  
Im Brief des Eremiten finden wir die nicht leicht zu übersetzende Passage: «… wen eins guotz das bringt das ander; ob es aber nit in der fründschaft moecht gericht werden, so lausent das recht das boest sin.» – «gericht» bedeutet hier: geregelt, vereinbart; «boest»: (eher relativ zu verstehen) schlechter, geringer, in etwa: das minimum ex malis = das kleinste Übel, der letzte Ausweg; «recht»: der Rechtsweg, der Gang zu einem übergeordneten Gericht, hier das kaiserliche Reichsgericht. – Aber es gibt in der Schweiz heute noch die Dialektform «de bösescht» und je nach Gegend mit der Vokalverschiebung: «de besescht», was in Schriftdeutsch bedeutet: «der Beste» in einem Wettkampf, bzw. der Letzte, der Sieger. – Vom Krieg (dem grössten Übel) ist eigentlich im Text nicht die Rede. Wie denn auch? Konstanz war dazu selbst nicht in der Lage, ausser ein paar Jahre später mit Hilfe des «erwählten» (bzw. selbsternannten) Kaisers Maximilian. Der Bischof von Konstanz schloss wenig später ein Landrecht ab mit den 5 Orten, Uri, Schwyz, Unterwalden, Zug und Glarus, das wiederum durch das Stanser Verkommnis vom Dezember 1481 wieder aufgelöst wurde. Zwischen Bischof und Stadt Konstanz schwelte bereits ein Konflikt.
  
Der habsburgische Kaiser und römischer König, Friedrich III., brauchte stets Unsummen an Geld für seine korrupte und martialische Politik – Kriege gegen die Türken und gegen die Ungarn sowie gegen die Kurfürsten im Westen, die sich anschickten Karl den Kühnen an seiner Stelle zum römischen König zu wählen (vgl. Quelle 018 sowie den Beitrag «Bruder Klaus und Ritter Adrian») – Friedrich beanspruchte diese Position für seinen Sohn Maximilian. Konstanz befand sich im Bereich des Herzogs Sigmund von Österreich (Vorderösterreich, Sitz in Innsbruck), der 1474 mit den Eidgenossen die «Ewige Richtung» geschlossen hatte. Diesen Friedens- und Bündnisvertrag anerkannte der Herrscher von Inner-Österreich, eben der Vetter Friedrich, nicht an. Sein Sohn und bereits römischer König (seit 1486), Maximilian, der 1490, nach dem Verzicht Sigmunds, auch die vorderösterreichische Gebiete in Besitz nahm, ratifizierte eine 1487 ausgehandelte Einigung (Erbeinung) nicht. 1499 kam es dann nochmals zum Krieg der Habsburger gegen die Eidgenossen, nachdem der Gotteshausbund (Graubünden) eine Allianz mit den Eidgenossen eingegangen war und habsburgische Truppen Teile des Gotteshausbundes besetzten. Alle Gefechte entlang des Rheins, von Chur bis Basel, gewannen die Eidgenossen. Die Eidgenossen wurden 1511 (ratifizierte Erbeinung) «reichsunmittelbar», d.h. autonom. 1648 erfolgte schliesslich der Austritt aus dem Heiligen Römischen Reich.
  
1501 konnten Basel und Schaffhausen dem Bund der Eidgenossen beitreten. Freiburg und Solothurn konnten dies bereits 1481 (Stanser Verkommnis, also wenige Wochen vor diesem Briefwechsel). Konstanz schaffte dies abermals nicht. Offensichtlich unterstützte es die Eidgenossen nicht oder nicht mehr in deren Politik, wie eben Basel und Schaffhausen. Eine Aufnahme der Stadt Konstanz in den Bund blieb aus, denn Konstanz wollte seinerzeit nicht auf den Thurgau verzichten. Nach der Abweisung vor Jahrzehnten (1482) wegen zu hohen Ansprüchen bezüglich der Herrschaft über den Thurgau, musste Konstanz für immer draussen bleiben.
  
Eigentlich kann man hier keinen Erfolg für den Friedensstifter Klaus von Flüe verbuchen. Offensichtlich kam es nicht zu einer gütlichen Einigung und zu keinem freundschaftlichen Verhältnis zwischen Konstanz und den Eidgenossen. Der Status Quo blieb vorerst das Recht des Stärkeren, eben der Eidgenossen. Darüber hinaus verlor Konstanz 1548 sogar den Status einer freien Reichsstadt und geriet völlig unter die Kontrolle Habsburgs, als Bollwerk gegen eine mögliche Expansion der Eidgenossen nach Norden, nördlich des Rheins.
  
Trotzdem, Bruder Klaus hat mit seinem Rat im Prinzip Recht. Das kann weiter verdeutlicht werden in folgender Skala:
1. Gütliche Einigung, friedliche Übereinkunft
2. Rechtsweg, Gang vor die Gerichte, mit einer oder mehreren Instanzen
3. Gewaltsame Aktion: Krieg oder kriegsähnliche Handlung, Belagerung, Besetzung,
    Geiselnahme, Entführung, Androhung von Waffengewalt, Pfandnahme etc.
– Bei der 1. Stufe entsteht im Idealfall eine Win-Win-Situation, wo alle Beteiligten etwas davon haben, die einem Frieden nahe kommt. Oder es wird ein Stillhalteabkommen geschlossen. Ob dieses aber von Dauer sein wird, ist bisweilen fraglich. Gäbe es ein völliges Genügen in Wahrheit und Gerechtigkeit, käme es zu einem absoluten Frieden. Doch dies ist eher selten der Fall.
– Ein Streit kann eskalieren (auf der Skala eine Stufe weitergehen), so dass er vor einem Gericht entschieden werden muss, eventuell wird die Sache aber weitergezogen zu einer höheren Instanz usw. Das wäre aber gegenüber der 3. Stufe immer noch das minimum ex malis, das kleinere Übel. Es kommt aber vor, dass der Streit auf Stufe 1 zurückgenommen wird, es kommt zu einem so genannten «Vergleich».
– Die schlimmste Eskalation wäre dann die Anwendung von Gewalt in irgendeiner Form. Um aber aktiv Gewaltmassnahmen auf den Weg bringen zu können, muss die entsprechende Partei stark genug sein oder Verbündete hinzuziehen. Unterliegt sie aber auf Stufe 2 und ist absehbar, dass es momentan keine Verbündeten geben kann, so bleibt ihr nichts mehr Anderes übrig, als das letztinstanzliche Urteil auf Stufe 2 anzunehmen. Man soll bei seinem Tun stets auf die Folgen achten. Wenn es absehbar ist, dass ein Streit in eine aussichtslose Lage eskalieren könnte, so sollte man sich bei diesem Wissen doch lieber auf der 1. Stufe einigen.
  
Ratsherren und Bürger von Konstanz wollten, dass ihre Stadt Vollmitglied der Eidgenossenschaft und zugleich Hauptstadt des Thurgaus werde, nachdem die Eidgenossen den grössten Teil des Thurgaus aus der Hoheitssphäre der Habsburger herausgelöst hatten. – Die rechtliche Situation war kompliziert. Der Bischof von Konstanz war schon seit einiger Zeit in Personalunion zugleich Gaugraf des Thurgaus. Bis Dezember 1481 (Stanser Verkommnis) galt das Landrecht von Uri, Schwyz, Unterwalden, Glarus und Zug mit dem Bischof von Konstanz, Gaugrafen von Thurgau, bis 1460 unter dem Schutz des Herzogs von Österreich (Vorderösterreich) stehend. Die Verwaltung des Thurgaus, Sitz der Ministerialen, war von Alters her die ehemalige römische Stadt Arbon (Arbor Felix), das blieb auch unter der Herrschaft des Bischofs so. Nach der Eroberung des Verwaltungsbezirks Arbon durch die Alemannen kam erst der Name «Thurgau» auf, und der alemannische Gaugraf trug zusätzlich noch den römischen Titel «Tribun» (Tribunus), er war Tribun von Arbon. – Die Konstanzer konnten demnach nicht etwas beanspruchen, was rechtlich immer noch Gültigkeit hatte: Arbon war die Hauptstadt des Thurgaus. (siehe auch: Romanshorn und Salmsach – Namen und Wappen)
– [Politik für den Frieden, Friedensstifter Bruder Klaus]
  
Referenz: Robert Durrer, Bruder Klaus-Quellenwerk, 181–185

  

   a) [Bürgermeister und Rat der Stadt Konstanz:]
Unsere bereitwilligen Dienste und was wir sonst alles vermögen, sei Euch im voraus zugesichert, frommer, lieber, guter und andächtiger Freund Gottes und der Welt. Wir zweifeln nicht daran, dass Ihr in diesem frommen, andächtigen Leben nie etwas anderes anstrebt als das, was dem allmächtigen Gott, der königlichen Mutter Maria und dem ganzen himmlischen Heer zu Wohlgefallen und Freude gereicht. Durch Eure Andacht und Eure ernsthaften christlichen Übungen gönnt Ihr auch anderen ihr Gutes. Euer Rat kann viel Gutes erwirken und den Frieden von Gott vermitteln. Mögt Ihr an uns denken, auch wenn wir nicht immer gute Nachbarn waren und uns auf manche Kriegshandlungen mit den Eidgenossen eingelassen haben, auf unsere Kosten und zu unserem Schaden, obwohl wir eigentlich nichts gegen sie hatten und ein friedliches Leben anstrebten, damit wir ihren Handel, Kaufen und Verkaufen, in unserer Stadt fördern könnten. Alle haben wir guten Willen gezeigt, auch jetzt noch, damit sie es spüren sollten. Nun, ungefähr ein Jahr danach, haben sie jedoch uns etwas auferlegt, so dass wir uns gegenseitig mit Unwillen betrachten und uns nicht einigen können. Mit Strenge forderten sie das Landrecht [des Thurgaus], das wir an sie verpfänden mussten, das wir aber wieder auslösen möchten. Vielleicht aber wollen sie selber grossen Nutzen daraus ziehen. Mussten wir diese grosse Widerwärtigkeit nicht doch auf uns nehmen! Denn sie handelten ja nicht ganz aus eigenem Antrieb, sondern auf unwissenden Rat hin […] Damit sie aber unseren guten Willen erkennen können, haben wir ihnen mitgeteilt, dass wir mit der Hälfte der Nutzung einverstanden sind und auch diese für ein Jahr nicht fordern […] Wenn nun Gott das Beten vieler Menschen erhört, und wir zweifeln nicht daran, dann neigt sich alles zu Frieden und Einigkeit hin. Täglich dafür Gott zu bitten ist ein gutes Werk. Es wird zum Gotteswerk, denn Gott sprach ja: Wo Frieden ist, da bin ich gegenwärtig. So ist es auch an Euch, dem frommen, andächtigen Christen, dass Ihr zu Gott ganz ernsthaft betet, zu ihm, dem Inhaber des Friedens. Auch mögt Ihr allen, die Ihr kennt, entschieden dazu raten, damit unsere Freunde und wir wieder in freundlichem und gutem Willen miteinander auskommen. An uns soll es nicht liegen, zu einer gütlichen Einigung zu gelangen. Denn wir meinen, dies wäre gut und nützlich für beide Seiten. Beide ehren wir damit Gott mehr und sind dann auch selber zufrieden. Um Euch von der Pfändung zu unterrichten, senden wir Euch eine Abschrift des Briefes. Ihr möget mit Eurem andächtigen Gebet Gott anrufen und alles unternehmen, was Ihr könnt. Dann stehen wir in Eurer Schuld. Dieser wollen wir mit gutem Willen uns würdig erweisen. So behüte Euch Gott, und er behalte Euch in seiner Gnade nach seinem göttlichen Willen. Gegeben am Samstag nach St. Paulis Bekehrung [26. Januar], im Jahre des Herrn 1482. Bürgermeister und Rat der Stadt Konstanz
(Adresse) An den frommen, andächtigen, christlichen Bruder Niklaus unter der Flüe, unseren lieben Freund. Was dem guten Frieden und der Freundschaft dient, soll an unserem Verhalten nicht scheitern.
 
b) [Die Antwort von Bruder Klaus:]
Der Name Jesus sei Euer Gruss. Ich wünsche Euch viel Gutes. Wenn ich selber nichts Gutes für Euch tun kann, so wollte ich doch, dass Ihr des Guten teilhaftig werdet. Denn ich habe Euer Schreiben gut verstanden. Auch Eure Bitte habe ich wohl verstanden, wenn Ihr wünscht, dass ich vor Gott Fürbitte einlege. Das will ich treu und aufrichtig tun, aber es kann nicht mehr sein, als Gott dann tun wird. Es liegt mir viel daran, dass meine Worte auf Euch den Frieden ziehen mögen, der dann auch bei Euch fruchten soll. Das Meinige tue ich also mit gutem Willen. Mein Rat ist auch, dass Ihr diesbezüglich grosszügig seid, denn ein Gutes gibt stets das andere. Wenn die Angelegenheit aber nicht freundschaftlich geregelt werden kann, dann wendet den Rechtsweg erst als letztes Mittel an. Zur Beurkundung lasse ich mein eigenes Siegel an das Ende dieses Briefes drücken. Gott sei mit Euch! Gegeben am Mittwoch vor St. Blasius [30. Januar] im Jahre des Herrn 1482.
  
Bruder Klaus von Flüe
  
(Adresse) An den angesehenen, umsichtigen, weisen Bürgermeister und die Ratsherren der Stadt Konstanz, meine lieben Väter.
  
Brief_nach_Konstanz
 
c) [Die Reaktion aus Konstanz:]
Was dem guten Frieden und der Freundschaft dient, soll nach wie vor an unserem Verhalten nicht scheitern. Wir haben Euer nützliches und freundliches Schreiben als Antwort auf unseren Brief erhalten, im Grunde unseres Herzens gerne zu Gehör genommen und in Eurem Schreiben dieses Werk gespürt, das dem Frieden und der Einigkeit dient. Wir zweifeln nie daran, dass Ihr ein Liebhaber des Friedens, der Eintracht und der Gerechtigkeit seid. Das wird für den Allmächtigen in seinem Reich eine grosse Freude sein, wenn überall Ruhe und Freude einkehrt. Wir sagen mit solcher Hochachtung Euch gegenüber grossen Dank. Und weil wir wissen dass Ihr Euch in frommen und zeitlichen Dingen verdient gemacht habt, wollen wir ohne Einschränkung dazu einwilligen. So ist nun diese Angelegenheit mit unseren guten Freunden, den Eidgenossen, auch mit den besonders Vertrauten von Bern, in mancher Hinsicht zum Abschluss gekommen. […] Gegeben am Dienstag nach dem Sonntag Esto mihi [19. Februar] im Jahre des Herrn 1482. Burds C [Bürgermeister und Rat der Stadt Constanz]
(Adresse) An den angesehenen, andächtigen, christlichen Bruder Niklaus von Flüe, unseren besonders lieben und guten Freund.
    
  
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